Manager ohne Grenzen: Ursachen von Armut an der Wurzel packen
Sri Lanka erlebte zwischen 1983 und 2009 einen Bürgerkrieg zwischen tamilischen Separatisten und der von Singhalesen dominierten Zentralregierung. Die Bildungsrate des Inselstaates im Indischen Ozean ist insgesamt eine der höchsten in Asien, doch Armut und ungleiche Verteilung des Wirtschaftswachstums stehen auf der Tagesordnung. Kleinen und mittelständischen Betrieben fällt es nicht immer leicht, ihre Existenz zu sichern. Die Stiftung managerohnegrenzen setzt genau hier an: Ursachen von Armut und Flucht aus dem Weg räumen und Menschen befähigen, erfolgreich zu wirtschaften, ist ihr Ziel. Die Organisation schickt Führungskräfte für vier bis zwölf Wochen weltweit ins Ausland, um den Betrieben vor Ort zu mehr Know-how und Rentabilität zu verhelfen. Dafür sucht die Stiftung erfahrende Führungskräfte und junge Nachwuchsmanager, die ihr Wissen einbringen möchten. Ein Porträt.
Tuk-Tuk-Fahrer, Gastwirte, Frisöre, Händler – Gerhard Ziegler reiste Anfang 2015 zehn Wochen durch Sri Lanka und hat mehr als 100 Kleinunternehmer interviewt. Er wollte herausfinden, wo ihnen im Betrieb der Schuh drückt. Sein Sondereinsatz war der Startschuss für ein langfristig geplantes Projekt: managerohnegrenzen möchte in Sri Lanka ein sogenanntes MECC aufbauen. Das steht für managerwithoutborders enterprise competence center und ist eine Art Trainingszentrum für den heimischen Mittelstand. Die Aufgabe Zieglers bestand darin, den Weiterbildungsbedarf zu eruieren, ein Finanzierungskonzept aufzusetzen und geeignete Partner vor Ort zu finden, die das Zentrum ins Leben rufen und lokal betreiben.
„Ich habe das Projekt umfangreich vorbereitet, Fragebögen erstellt und bin dann damit nach Sri Lanka gereist“, erzählt Ziegler. Er wusste zwar, was es da für Kleinunternehmen gibt – als ehemaliger Entwicklungsleiter bei Bosch hat er internationale Projekte koordiniert, zum Beispiel in Indien. Aber die meisten Interviews ergaben sich spontan vor Ort. „Viele Familienbetriebe habe ich eher zufällig getroffen und bin dann weiter vermittelt worden. So haben die Leute, bei denen ich eine Zeit lang gewohnt habe, Bekannte gehabt, die einen Beautysalon, einen Frisör und ein Brillengeschäft betreiben.“ Englisch reichte für die Kommunikation meist aus, nur im Norden und Osten musste sein Patenkind, das ihn in die Region begleitete und Tamil spricht, übersetzen. „Im Westen und Süden, dort wo die Singhalesen wohnen, waren die Betriebe sehr offen. Im Norden bei den Tamilen hatte ich den Eindruck, dass mich manche als Spion der Regierung sahen und dachten, ich wolle sie aushorchen“, sagt Ziegler.
„Man muss ein Stück Demut mitbringen, wenn man für uns in einen Einsatz gehen möchte“, erklärt Helene Prölß, die die Stiftung vor zehn Jahren gegründet hat. „Wir nehmen nur erfahrene Manager mit, weil die Herausforderungen in dem interkulturellen Kontext sehr groß sind. Wir sind nicht im 5-Sterne-Segment von großen Unternehmen oder Hotels angesiedelt, sondern dort, wo das Thema Armut sichtbar wird. Das ist nicht die Komfortzone dieser Welt.“ Es brauche die Bereitschaft, sich dem zu stellen und trotzdem mit einer großen Wertschätzung und Hochachtung auf die Gruppierungen oder Kleinunternehmen zuzugehen. Sprachkenntnisse der Staatssprachen Englisch und Französisch (vor allem in Afrika und Asien) sowie Spanisch und Portugiesisch (in Mittel- und Südamerika) sind Voraussetzung, um sich vor Ort zu verständigen. Die passende Haltung lernen die Teilnehmer in Vorbereitungsseminaren. Der Rest ist Eigenerfahrung und auch ein bisschen Abenteuer.
Das Spektrum der Projekte ist groß – vom kleinen Händler, der irgendwo in der Straße seinen kleinen Handel betreiben will, bis hin zu mittelständischen Betrieben, die schon 100 Mitarbeiter haben. „Als ich damals mit der Arbeit angefangen habe, fiel mir auf, dass viele Menschen in Entwicklungsländern ihre Produkte nicht richtig vermarkten. Sie haben zum Beispiel Mangos geerntet oder Dinge produziert, konnten aber keinen wirklichen Nutzen daraus ziehen“, erzählt die Managerin Prölß, die ursprünglich aus dem Marketing kommt. Es geht ihr darum herauszufinden, wo sie mit ihrer Organisation Wissen vermitteln kann, das Menschen hilft, wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen. In Stuttgart arbeiten heute einige wenige fest angestellte und viele ehrenamtliche Mitarbeiter daran, die Projekte zu recherchieren, zu analysieren, den Betrieben bei den Projektanträgen zu helfen und Manager auf Auslandseinsätze vorzubereiten. 2009 erreichte Prölß das Ziel, mit managerohnegrenzen zu einer gemeinnützigen Stiftung zu werden, die sich heute vor allem aus Spendengeldern und Sponsoring finanziert. Ein Code of Conduct definiert, wer Unterstützung bekommt: Immer dann, wenn eine unternehmerische Initiative oder Maßnahme – auch in einem Kleinstbetrieb – Hilfe auf einem realistischen Weg in die Eigenständigkeit braucht, steigt managerohnegrenzen ein.
Seit Kurzem betreut die Stiftung zum Beispiel einen Betrieb mit rund 30 Mitarbeitern, der vor allem Sisalteppiche herstellt. Das Unternehmen hatte sich an die Stiftung gewandt, weil es nicht rentabel arbeiten konnte und kurz vor dem Aus stand. Nach der Problemanalyse aus der Ferne ging ein Manager-Tandem aus einem erfahrenen Manager und einer Nachwuchsführungsführungskraft in den„Außendienst“, um die Ursachenforschung vor Ort fortzuführen. „Manchmal beginnen wir mit einem akuten Notfallplan und stellen erst einmal die weitere Finanzierung sicher“, sagt Prölß. So ging es auch in diesem Projekt darum, kurzfristig Kapital zu beschaffen, damit der Betrieb wieder Material besorgen konnte. Dann stand die generelle Etatplanung auf dem Programm. Das kommt oft vor, meint die Stiftungsleiterin. Dann muss ein Businessplan geschrieben werden. Aber das geht nicht ohne Excel und ohne einen Computer. Deshalb sucht die Initiative dann im Kreis der Projektpartner vor Ort nach Lösungen. Manchmal geht es auch darum, Prozesse anzuregen, bestimmte Elemente einzubauen oder Kompetenzen mit zu entwickeln.
Dabei sei es durchaus normal, dass die Manager nicht „fertig“ würden, in dem Sinne, dass sie Probleme komplett lösen könnten. Dann kämen oft neue Manager, die an diesem Punkt weitermachten. „Wir möchten unsere Partner möglichst langfristig begleiten“, meint Prölß. Für die Manager sei das zwar manchmal frustrierend, wenn sie den Knackpunkt nicht sofort finden oder es nicht so rasch vorangeht, wie sie das hierzulande gewohnt sind. Aber gerade aus diesem Frust heraus, nehmen die Führungskräfte oft die nachhaltigsten Erfahrungen mit, ist die Stiftungschefin überzeugt: „Taffes, stringentes arbeiten und dieses ‚Ich komm rein und weiß, wo es lang geht‘ – das geht da eben nicht unbedingt. Das ist ein wesentlicher Teil der Eigenreflexion. Hinterher brauchen Sie kein Seminar in sozialer Kompetenz mehr.“
Auch Gerhard Ziegler lief in Sri Lanka etwas die Zeit davon. Vor allem die Themen Marketing, um die eigenen Produkte – zum Beispiel Gewürze, Kunstgegenstände oder Bananen – besser zu vermarkten, technisches Know-how, Buchhaltung und Englischkenntnisse sollen in dem geplanten Weiterbildungszentrum zukünftig trainiert werden. Das wusste der erfahrende Manager nach den vielen Interviews genau. Auch dass das MECC im tamilischen Norden, in der Nähe der Stadt Jaffna, angesiedelt werden müsste und wie das Finanzierungskonzept aussehen soll, war ihm während seines Einsatzes bald klar. Die Zusammenarbeit mit den Partnern vor Ort gestaltete sich schwieriger, war aber elementar für das Projekt. „Die Einheimischen haben andere Preise, wissen genauer, wo ein solches Trainingszentrum platziert sein muss, in welcher Straße man es überhaupt aufbauen kann und wen sie ansprechen müssen, um entsprechende Räumlichkeiten zu mieten. Sie kennen Leute, die in dem MECC mitarbeiten könnten, etwa als Trainer.“ Doch vielversprechende Kontakte verliefen zunächst im Sand. „Jetzt haben wir aber andere mögliche Partner gefunden und sind sehr zuversichtlich, dass wir mit ihnen auf dem richtigen Weg sind.“ Dafür fährt Ziegler bald wieder nach Sri Lanka.
„Als ich noch beruflich aktiv war, hätte ich nicht zehn Wochen fehlen können. Das wäre illusorisch gewesen“, sagt Ziegler, der inzwischen im Ruhestand ist. Die Manager ohne Grenzen können zwar auch schon für vier Wochen dabei sein, müssen aber aus dem aktiven Berufsleben kommen – Rentner sind absolute Ausnahmen. Während sich managerohnegrenzen vor Projektanfragen aktuell kaum retten kann, offenbart sich an diesem Punkt die größte Schwierigkeit der Stiftung: Führungskräfte zu finden, die genügend Zeit für einen Auslandseinsatz haben. „Das ist oft ein großes Investment als persönliche Planung, aber auch die Arbeitgeber müssen mitmachen. Oftmals stehen Sabbatical-Programme nur auf dem Papier und werden gar nicht durchgeführt. Je intensiver hier unsere Wirtschaft ist, desto schlechter kriegt man die Manager losgeeist“, hat Helene Prölß erfahren. Doch es lohne sich fast immer für Führungskräfte, die sich die Zeit freischaufeln. „Der Hauptmotor für die Teilnehmer ist eine große Sehnsucht danach, etwas von unserem Wohlstand zurückzugeben. Sie möchten als privilegierte Menschen mit einer exzellenten Aus- und Weiterbildung einen Teil zum Ausgleich von Geben und Nehmen beitragen“, so Prölß.
Das bestätigt auch Gehard Ziegler. „Was mir gefallen hat, war das tiefe Eintauchen in die Kultur. Ich bin mit so vielen Menschen direkt zusammengekommen, habe sogar einen Journalisten getroffen, der im Untergrund arbeitet“, sagt er über seine Erfahrungen. Die Hintergründe von Bürgerkrieg und Innenpolitik habe er dadurch ganz anders, mit einer neuen Tiefe, verstanden. „Wenn es im Norden bei den Tamilen wirtschaftlich aufwärts geht, dann ist das auch ein kleiner Baustein für den Versöhnungsprozess in Sri Lanka, der jetzt langsam in Gang kommt. Menschen aus Entwicklungsländern, die eine Perspektive sehen, möchten nicht fliehen.“
Manager oder Unternehmen, die sich für die Einsätze von managerohnegrenzen interessieren, finden hier die Kontaktdaten der Stiftung.
Treffen Sie managerohnegrenzen am 10. oder 11. Mai auf der Messe PERSONAL2016 Süd in Stuttgart, Halle 4, Stand D.02 C
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